07.07.1944 - Wilna / Vilnius

29.04.2013 19:21
avatar  Hesse
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Hallo zusammen.

Heute möchte ich euch ein Feuerzeug vorstellen, bei welchem ich mir keineswegs sicher bin, ob es die sinngemäßen Ansprüche des Begriffes Trench Art erfüllt.

Fangen wir erstmal mit dem Feuerzeug an:

Offensichtlich ist hier der Bezug zu Polen.
Die Abschlüsse oben und unten sind polnische Slotymünzen mit Nominalwert 1.
Eine der zwei Münzen zeigt ihr Prägejahr: 1929.
Der polnische Adler auf der Gehäusehülse dürfte aus einer Münze herausgesägt sein und wurde aufgelötet.
Die Gesamtlänge beträgt 61mm bei 24,9mm Durchmesser der Münzen.
Das Feuerzeuggehäuse hat einen Durchmesser von 20,95 mm, bei Wandungsstärken von knapp unter 0,5mm.
Als Ausgangsmaterial kommen dadurch Patronenhülsen in Frage und wir können von Kaliber 20 ausgehen.
Kaliber 20 kam in einigen Waffen zum Einsatz und leider gibt es hier keinerlei Hinweise, wie etwa einen Hülsenboden, die eine genauere Bestimmung zuließen.
Möglich wären div. Maschinengewehre, Bordkanonen, etc.
Der Einsatz aus Messing ist mit dem Gehäuseunterteil verlötet, was zur Folge hat, dass man nur durch Herausschrauben des Reibradeinsatzes oder des Dochtes auftanken kann.
Der Reibradeinsatz an sich ist eine umfunktionierte Schraube mit Schlüsselweite 8.
Die Schraube wurde durchgebohrt, mit einem Innengewinde für die Stellschraube zur Feuersteinvorspannung versehen und bekam das kleine Reibrädchen (Durchmesser 6,5mm) aufgelötet.
Der Dochtträger wurde ebenfalls aus einer Schraube hergestellt.
Diese Schraube erinnert auf den ersten Blick an eine umgearbeitete Piston-/Zündlochschraube eines Vorderladers, allerdings ist dafür das vorhandene Gewinde zu klein dimensioniert.
Die hier vorhandene Schlüsselflache hat eine Weite von ca. 3,5mm und sieht mir nicht nach einer industriellen Fertigung aus.
Die Flächen sind unterschiedlich hoch und auch nicht genau parallel zueinander.
Was hier noch auffällt ist, dass der Docht ein Stützkorsett aus Draht erhalten hat.
Dies ist notwendig, da der Tank nicht mit Watte gefüllt ist, sondern mit Sand verschiedener Körnungen.


Die Gravuren/Inschriften

Wilno => polnisch für Vilnius/Wilna
Initialen => JB
Bog, Honor, Ojczyzna => Gott, Ehre, Vaterland
7 VII 44 => 07. Juli 1944
Pow. Wilenskie => Abürzung für Powiat Wilenskie => Dies bedeutet: Landkreis Vilnius/Wilna und begründet sich geschichtlich in der “Königlichen Republik Polen-Litauen“.


Das Datum 07.07.1944

Ganz allgemein gesehen gab es am 07.07.1944 natürlich eine Menge Ereignisse.
Die Luftschlacht über Leipzig war in vollem Gange und Generalmajor Hellmuth Stieff hatte für diesen Tag ein Attentat auf Adolf Hitler geplant, welches er aber nicht verübte.
Im Hinblick auf das Feuerzeug fällt der 07.07. in die Zeit der Bemühungen russischer Truppen und Partisanen, die in Vilnius in Ghettos gefangenen Menschen zu befreien.
Die Umstände und Schicksale dieser Menschen hat wie so vieles in dieser Zeit eine sehr traurige Komponente und ist meiner Meinung nach nicht unbedingt geeignet hier im Forum als Text zu stehen. Wer etwas mehr über dieses dunkle Kapitel Geschichte wissen möchte, kann sich noch etwas mit den am Schluss angehängten Links beschäftigen.


Pro und Contra einer eventuellen Trench Art-Klassifizierung

Contra 1 – Gauner gibt es überall und es könnte sich daher um ein auf Trench Art getrimmtes Bastlerstück handeln.


Pro 1 - Die beschriebenen Ereignisse, Inschriften und Materialien sind authentisch.
Pro 2 - Die verwendeten Münzen passen zur angegebenen Zeit.
Pro 3 - Die handwerkliche Gestaltung zeigt Improvisationstalent und könnte ihren Ursprung durchaus in einem Gefangenenlager/Ghetto haben. Ebenso wäre eine Fertigung auf Partisanenseite denkbar.

Ich gehe nicht von einem auf Trench Art getrimmten Stück aus.
Allein schon der Kaufpreis (10,- Euro auf einem Flohmarkt) spricht für diese Annahme, da man das Feuerzeug für diese Summe kaum anfertigen kann.
Einen sicheren Beweis für ein echtes Stück kann ich natürlich dennoch nicht vorweisen, daher stufe ich auch dieses Feuerzeug nicht als Trench Art ein und behandele es einfach wie meine restlichen Stücke aus der Zeit des WKII. Nämlich als interessante Stücke die einem eine bewegte Lebensgeschichte erzählen könnten...

Viele Grüße
Der Hesse


Ostvermisste-1944.de >>>http://ostvermisste-1944.de/Wilna%201944.htm
Wikipedia >>>http://de.wikipedia.org/wiki/Ghetto_Vilnius
Vilnaghetto.com >>>http://www.vilnaghetto.com/index.html
Juden-in-europa.de >>>http://www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/inhalt.htm

Edit: Linkdarstellungen geändert

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30.04.2013 10:31
avatar  andrea
#2
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Hallo Hesse,

wirklich ein guten und ausführlichen Beitrag. Ich wurde auch von ein Original ausgehen aber ich bin keine Experte.

Gruß
Andrea


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30.04.2013 10:45
#3
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Hi Hesse,

danke fürs zeigen und den sehr guten Bericht dazu


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01.05.2013 11:13
avatar  Hesse
#4
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Hallo Andrea, hallo Gerd.

Vielen lieben Dank für eure lobenden Worte. ops:

Ich werde natürlich mein bestes geben auch in Zukunft interessante Texte zu schreiben.
Leider sind aber nicht alle Feuerzeuge derart "überversorgt" mit Informationen wie dieses Exemplar hier.

Viele Grüße
Der Hesse


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